Warum braucht der Teich den Karpfen?
Beim Spazierengehen oder Radfahren durch die artenreichen und idyllischen Teichlandschaften in Bayern erkennt man meist nicht, dass Teiche eine Kulturlandschaft sind. Sie wurden von Menschen geschaffen, um dort Karpfen zu züchten. Möglichst ideale Lebensbedingungen für den Nutzfisch sind dabei das Ziel der Teichwirte. Der Karpfen bevorzugt sommerwarme, flache Gewässer mit weichem Untergrund. Er fühlt sich wohl, wenn einige Wasserpflanzen wachsen und er braucht im Wasser und Boden viele kleine Krebse, Schnecken, Würmer und Insektenlarven, die dem Fisch als Nahrung dienen. Traditionelle Teichwirtschaft ist im Grunde eine extensive Weidehaltung für Karpfen und eine vielfältige Naturnahrung im Teich ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Fischzucht.
Wie alle anderen Kultur-Landschaften, egal ob Acker, Viehweide oder Weinberge, braucht auch ein Karpfenteich regelmäßige Pflege und sachkundige Bewirtschaftung. Nur so kann ein Teich über lange Zeit erhalten werden, Fischertrag bringen und ein artenreicher Lebensraum bleiben.
Teiche sind vielen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Starkregen schwemmen Erde und Sand ein, Wasserpflanzen sterben alljährlich ab und im Herbst landet das bunte Laub der Bäume irgendwann im Karpfenteich. Anders als in fließenden Systemen werden im Teich diese Einträge nicht vom Wasser abtransportiert. Wenn das ganze organische Material sich schließlich am Teichgrund ansammelt, entsteht daraus eine fast sauerstofffreie Schicht. Ohne Sauerstoff kommen Fäulnisprozesse in Gang. Dabei entstehen Faulgase und Säuren. Kaum ein Lebewesen fühlt sich in diesen sauerstofffreien, sauren und faulig stinkenden Verhältnissen wohl. Gartenteichbesitzer wissen um diese Vorgänge und reinigen deshalb ihre Teiche regelmäßig. Auch im großen Karpfenteich könnten schwere Maschinen dies bewerkstelligen. Aber das hätte wohl kaum einen positiven Effekt auf das gesamte Ökosystem Teich. Wie praktisch, dass unsere Teiche der Lebensraum des Karpfens sind. Dieser „gründelt“ mit seinem vorstülpbaren Maul, dem „Rüssel“, auf der Suche nach der wertvollen Naturnahrung im Teichboden. Der Karpfen bringt dadurch Sauerstoff in diese Bodenschichten. Fäulnis wird verhindert und organische Materialien werden aufgeschlossen. Es entstehen gelöste Kohlenstoffverbindungen (Bicarbonate) und Nährstoffe. Gleichzeitig wird die Schlammbildung im Teich verringert und die Trübung des Wassers vermindert eine Massenvermehrung von Algen.
Die Bicarbonate puffern die entstandenen Säuren und stabilisieren den pH-Wert im neutralen Bereich. Fische, Muscheln, Würmer, Krebse, Insekten, Frösche, Molche u.v.m. können sich im Teich dann wieder wohlfühlen.
Die Kohlenstoffverbindungen und Nährstoffe stellen die Grundlage des Nahrungsnetzes im Teich dar. Sie werden von feinsten Algen aufgenommen. Diese Algen werden wiederum von kleinsten Krebsen, Schnecken und Würmern gefressen. Diese Lebewesen sind die wertvolle Naturnahrung im Teich und bilden die Nahrungsgrundlage für alle Fische und für viele andere Tierarten. Der Karpfen ist damit nicht nur ein köstlicher Speisefisch, sondern der natürliche Pfleger des intakten Ökosystems Teich.
Wer produktive und artenreiche Teiche erhalten will, der muss Karpfen einsetzen. Karpfen halten mit ihrer Lebensweise das Ökosystem Teich stabil und schaffen damit zugleich wertvolle Lebensräume für zahlreiche Arten. Die heute oft geäußerte Vorstellung, dass Teiche ohne Karpfen für den Artenreichtum und die Ökologie besonders wertvoll wären, ist nicht zutreffend.