Der Aischgründer Spiegelkarpfen

Als vor ungefähr 1200 Jahren in Franken die ersten Teiche gebaut wurden, um darin Fische zu halten, war der Karpfen noch ziemlich langgestreckt und völlig beschuppt. Schon bald begannen fränkische Fischzüchter damit, den Karpfen durch planmäßige Zucht und Auslese zu verändern. Einer Legende nach soll ein Bamberger Bischof von seinem Fischmeister verlangt haben, dass dieser einen Karpfen züchte, der den Teller ordentlich füllen und nicht darüber hinausragen soll. So sollte sich der Fisch besser als Fastenspeise eignen. Das Ergebnis war der Aischgründer Spiegelkarpfen – hochrückig und schuppenarm. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch seine Form kann der Karpfen mehr Fleisch ansetzen, außerdem hat er weniger Schuppen, die bei der Zubereitung in der Küche nur hinderlich sind. Die wenigen verbliebenen, großen und im Licht spiegelnden Schuppen führten schließlich zur Bezeichnung „Spiegelkarpfen“. 

Auch wenn die Herkunft dieser Karpfenrasse im Dunklen liegt, deuten verschiedene historische Quellen darauf hin, dass der Spiegelkarpfen seinen Ursprung in Franken hat. Bereits 1588 beschreibt der Schweizer Naturforscher Conrad Gesner, dass im Frankenland Karpfen mit wenigen, großen Schuppen vorkommen. Im 1787 erschienenen Buch „Abbildung und Beschreibung der Fische“ urteilt der Nürnberger Naturforscher Johann Christoph Heppe mit Recht: „Beinahe läßt sich daraus vermuten, dass Frankenland das Vaterland der Spiegelkarpfen wäre.“ Aus dem Teichwirtschaftsbüchlein von Johann Ludwig Heger (1727) lässt sich entnehmen, dass der Spiegelkarpfen ab 1700 zunehmend Verbreitung fand. Auch auf einen höheren Rücken legte man damals bereits Wert. 

Die Entwicklung der Zuchtform setzte sich weiter fort und erlebte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine wahre Blütezeit. Engagierte Teichwirte züchteten sogar unterschiedliche Stämme des Aischgründer Karpfens mit jeweils typischer Körperform und Beschuppung. In einer regen Forschungstätigkeit wurden v.a. im 20. Jahrhundert diese Züchtungen bezüglich Wachstum und anderen teichwirtschaftlich bedeutenden Eigenschaften verglichen und bewertet. Bei den Ausstellungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft wurden die besten Karpfen regelmäßig prämiert. Auch heute noch züchten große fränkische Fischereibetriebe ihren eigenen Karpfenstamm. Damit erhalten diese Fischzüchter die genetische Vielfalt des Karpfens und sorgen dafür, dass die Aischgründer Karpfen an die Klima- und Umweltbedingungen der Region optimal angepasst sind. 

Der Aischgründer Spiegelkarpfen ist seit November 2012 eine nach EU-Recht geschützte geographische Angabe „g.g.A.“. Damit würdigt die EU die besondere Qualität und große Tradition des „Aischgründer Karpfen g.g.A.“. Er steht auf der gleichen Stufe wie die Herkunftsbezeichnungen „Bayerisches Bier g.g.A.“ oder „Nürnberger Bratwürste g.g.A.“ Durch den EU-Schutz kann der Verbraucher sicher sein, dass der Karpfen, den er verzehrt, von hoher Qualität ist und wirklich aus dem Aischgrund stammt.

In Mittelfranken werden mehr als 1/3 der bayerischen Karpfen erzeugt. In 200 regionalen Fischküchen werden jährlich etwa 1000 t „Aischgründer Karpfen“ köstlich zubereitet. Der halbe, gebackene Karpfen ist dabei die traditionelle und weltweit einzigartige Spezialität der Region.

Bildnachweis:
1  aus Blochs „Ökonomische Naturgeschichte der deutschen Fische“
2 LfL, Mila Pavan
3 Bezirk Oberfranken